Sonntag, 16. Januar 2011

Memento mori

Mit ruckartigen Bewegungen werde ich von einem breitschultrigen, kräftigen Riesen über einen unebenen, staubigen Waldweg gezogen. Ich spüre jede noch so kleine Unebenheit des Bodens wie Messerstiche in meinem schwach gewordenen und von den Steinen zerschundenen Körper. Ich schreie mit letzter Kraft um Hilfe doch meine Stimme verstummt schnell, denn es hat ja doch keinen Zweck. Jeder Schrei brachte einen äusserst schmerzhaften Stockschlag mit sich und in diesem unheimlichen, verlassen Wald wird mich sowieso niemand hören. Ich bin also ganz alleine auf mich gestellt. Mit unbeschreiblichen Schmerzen versuche ich die Fesseln um meinen Kopf um einige Zentimeter zu lockern und sehe endlich meine Peiniger. Und was ich sehe, verschlägt mir regelrecht den Atem: ein Zug von etwa zwanzig Kapuzengestalten begleitet mich. Auf ihre dunkelfarbigen Gewänder kann ich trotz der Dunkelheit zwei riesige eingestickte M. ‘s erkennen. Ein Schauder läuft mir über den Rücken: „Was das wohl für eine Art Sekte ist? Und vor allem WAS wollen sie von mir. Meine Gedanken werden abrupt von einem merkwürdigen, immer lauter werdenden Murmeln unterbrochen: Sanctitu Biratschku clupriment flaxerent. Als dann der Waldrand in Sichtweite war, wird es plötzlich totenstill, man hätte eine Stecknadel fallen hören. Vor mir erstreckt sich ein riesiger Friedhof. Er besitzt nur wenige alte, knorrige Bäume. In der Mitte von diesem unheimlichen Ort liegt eine Art Turm. Genauso heruntergekommen wie die weit zerstreuten, ziemlich schief stehenden Grabsteine. Und als wäre nicht alles schon unheimlich genug, ist der ganze Friedhof mit geheimnisvollem Nebel erfüllt. Die Kapuzengestalten setzen ihren Marsch fort, doch ihre Blicke sind todernst und noch immer ist kein Mucks zu hören. Sie steuerten zum Turm in der Mitte des Friedhofs. Als wir noch etwa 150 Meter vom Turm entfernt sind, nehme ich eine Gestalt im Schatten des Turmes wahr. Sie stützt sich auf irgendetwas und hat eine merkwürdig krumme Haltung. „Wahrscheinlich ist das ihr irrer Anführer“, denke ich und ich soll Recht behalten. Nur noch 100 Meter Entfernung bleiben. Ich weiss zwar nicht was diese Gestalt von mir will, aber mein Herz pocht so fest, dass ich das Gefühl habe, es springe förmlich aus meiner Brust. Es ist so, als würde mein Herz ahnen, was alles noch mit mir passieren wird. Ich gerate in Panik und werde hysterisch, doch der Turm kommt unerbittlich näher. Noch 60 Meter! 40 Meter! Nur noch 20 Meter bin ich von diesem unheilvollen Mann entfernt. Als ich den Turm erreiche, ist der Höhepunkt der Herzkadenz erreicht. Dies ist sein letztes Aufbäumen, denn mit einem Schlag stieg der Puls rapide ab. Das Herz hat den Lebensglauben verloren. Erst jetzt sehe ich, dass der Greis ein spitzes, kurzes Messer in der Hand hatte. Ich schliesse für einen kurzen Moment die Augen und lief zum Greis. Ich will nur noch, dass es rasch und schmerzlos geht. Ich sehe den Sektenpriester kalt an. Er schaut gierig und durchgeknallt zurück. Plötzlich murmeln alle Kapuzengestalten: „Serva nobam vivam. Da nobis tuum vim. Dann überkommt mich eine finstere Dunkelheit.

Keine Kommentare: